Der Hirschkäfer (Lucanus cervus): Ein Schutzprojekt für die grösste Käferart der Schweiz im Kanton Bern
Der Hirschkäfer, eine der beeindruckendsten Käferarten Europas, steht im Mittelpunkt eines umfassenden Schutzprogramms im Kanton Bern. Mit seinem markanten „Geweih“ und einer Körperlänge von bis zu acht Zentimetern ist er nicht nur eine faszinierende Erscheinung, sondern auch ein wichtiger Indikator für die ökologische Gesundheit seiner Lebensräume.
Um den Rückgang dieser bedrohten Art zu stoppen, hat die Abteilung Naturförderung des Amts für Landwirtschaft und Natur im Juli 2024 einen Aktionsplan zum Schutz des Hirschkäfers veröffentlicht. Der Tierpark Bern (Dählhölzli-Zoo) übernimmt dabei eine zentrale Rolle in der Zucht, Förderung und Wiederansiedlung, um die Bestände langfristig zu stabilisieren und den Lebensraum des Hirschkäfers zu sichern.

Warum der Hirschkäfer Schutz benötigt
Der Hirschkäfer lebt hauptsächlich in alten, verpilzten Laubbäumen, insbesondere Eichen, deren Holz für die Entwicklung der Larven essentiell ist. Doch das zunehmende Verschwinden von alten Bäumen, der Mangel an geeignetem Totholz und die starke Nutzung von Wäldern durch den Menschen haben dazu geführt, dass die Lebensräume der Art schrumpfen.
Im Kanton Bern sind derzeit nur zwei isolierte Metapopulationen bekannt: eine entlang des Bielersees und eine in der Region Thuner- und Brienzersee. Zwischen diesen beiden Gebieten fehlt eine Vernetzung, was den genetischen Austausch erschwert und die Überlebenschancen der Art weiter verringert.

Ziele des Aktionsplans
Der Aktionsplan verfolgt mehrere zentrale Ziele:
- Erhalt und Stärkung der bestehenden Populationen: Die beiden bekannten Populationen sollen durch gezielte Massnahmen stabilisiert werden.
- Vernetzung der Populationen: Entlang der Aare soll ein Korridor geschaffen werden, der es den Käfern ermöglicht, sich zwischen den beiden Gebieten auszubreiten.
- Aufklärung und Sensibilisierung: Die Öffentlichkeit soll verstärkt über die Bedeutung von Totholz als Lebensraum und die Bedrohung des Hirschkäfers informiert werden.

Geplante Massnahmen im Detail
1. Holzkäfer-Haufen: Künstliche Lebensräume schaffen
Eine der Hauptmassnahmen ist die Einrichtung sogenannter Holzkäfer-Haufen. Diese bestehen aus grossen, verpilzten Laubholzstücken, die in der Nähe bestehender Populationen sowie entlang des geplanten Korridors angelegt werden. Die Holzstücke werden mit Pilzdübeln geimpft, um den Zersetzungsprozess zu beschleunigen und den Larven des Hirschkäfers eine optimale Nahrungsquelle zu bieten.
Pro Standort werden mindestens zwei Kubikmeter Holz bereitgestellt. Die Haufen werden regelmässig kontrolliert und bei Bedarf mit neuem Holz ergänzt. So entsteht ein langfristiger Lebensraum, der nicht nur dem Hirschkäfer, sondern auch anderen xylobionten (holzbewohnenden) Arten zugutekommt.
2. Zucht und Wiederansiedlung
Parallel zur Schaffung der Lebensräume wird der Hirschkäfer gezüchtet. Die Larven, die in einem späten Entwicklungsstadium (L3) gezüchtet werden, sollen in den Holzkäfer-Haufen ausgesetzt werden. Pro Haufen werden zunächst 20 Larven angesiedelt. Diese sollen sich in den folgenden Jahren verpuppten und adulte Käfer hervorbringen, die wiederum neue Larven produzieren.
Der Tierpark Bern (Dählhölzli-Zoo) in Bern spielt dabei eine zentrale Rolle. In enger Zusammenarbeit mit Stadtgrün Bern werden Hirschkäfer gezüchtet und ausgewildert. Der Tierpark bietet die notwendige Infrastruktur für die kontrollierte Aufzucht und stellt sicher, dass die Zuchttiere unter optimalen Bedingungen gedeihen. Auch werden gezüchtete Larven aus stabilen Populationen aus der Region (z. B. Bielersee) integriert, um genetische Vielfalt zu fördern.
3. Sensibilisierung der Bevölkerung
Die Öffentlichkeit spielt eine wichtige Rolle bei der Überwachung und dem Schutz des Hirschkäfers. Citizen-Science-Projekte sollen dazu beitragen, Sichtungen zu melden und so wichtige Daten über die Verbreitung der Art zu sammeln. Gleichzeitig werden Grundstücksbesitzer, Gemeinden und Forstbetriebe dazu ermutigt, Totholz auf ihrem Land zu belassen und gezielt neue Lebensräume zu schaffen.

Erfolgskontrolle
Die Wirksamkeit der Massnahmen wird durch ein mehrstufiges Monitoring überprüft:
- Larvenüberwachung: Die Aktivät der Larven in den Holzkäfer-Haufen wird anhand von Frassspuren und Exkrementen dokumentiert.
- Meldungen adulter Käfer: Sichtungen der flugfähigen Käfer durch die Bevölkerung liefern Hinweise auf die Ausbreitung.
- Langfristige Populationsentwicklung: Nach 10 Jahren wird überprüft, ob die Populationen stabil sind und neue Lebensräume erobert haben.
Herausforderungen und offene Fragen
Trotz der umfassenden Planung gibt es noch viele Unbekannte. So ist beispielsweise nicht abschliessend geklärt, welche Rolle verschiedene Pilzarten für die Entwicklung der Hirschkäferlarven spielen und wie sich die Klimaerwärmung langfristig auf die Art auswirken wird. Ebenso bleibt abzuwarten, ob die Vernetzung der Populationen über den geplanten Korridor entlang der Aare erfolgreich sein wird.
Ein Vorbild für den Artenschutz
Der Aktionsplan für den Hirschkäfer im Kanton Bern ist ein beeindruckendes Beispiel für den gezielten Schutz einer bedrohten Art. Mit einer Kombination aus wissenschaftlicher Expertise, praktischen Massnahmen und der Einbindung der Öffentlichkeit zeigt er, wie Artenschutz im 21. Jahrhundert aussehen kann.
Durch diesen Plan wird nicht nur die grösste Käferart der Schweiz gefördert, sondern auch das Bewusstsein für den Wert von Totholz als Lebensraum geschärft – ein Gewinn für die gesamte Biodiversität.
Was können Sie tun?
Unterstützen Sie den Schutz des Hirschkäfers, indem Sie Totholz in Ihrem Garten belassen, Sichtungen melden oder sich an lokalen Naturschutzprojekten beteiligen. Jeder Beitrag zählt, um diese beeindruckende Art für kommende Generationen zu bewahren!

Hirschkäfer in der Schweiz – Verbreitung und Beobachtungen
Die Erfassung der Hirschkäfer-Bestände ist essenziell, um gezielte Schutzmassnahmen umzusetzen. Unsere interaktive Heatmap zeigt, wo der Hirschkäfer in der Schweiz gesichtet wurde und hilft dabei, seine Verbreitung besser zu verstehen.