Foto: Tierpark Bern
02. April 2022

Ankunft des neuen Wisentstiers im Tierpark Bern

Am 29. April traf der neue Wisentstier aus Schweden im Tierpark Bern ein. Hinter diesem bedeutenden Moment stand eine langjährige Planung und Organisation: Sekunden dauerte das Öffnen des Gehegetors, Minuten das erste Zusammentreffen mit der bestehenden Herde, Stunden die Eingewöhnung im Rothirschvorgatter, Tage der Transportzeit, Wochen der medizinischen Untersuchungen und Monate der Vorbereitung – alles getragen von einer umfassenden Strategie des Populationsmanagements.

Planung und Auswahl des Tieres

Die Vorbereitungen für die Ankunft begannen bereits Monate zuvor. Zunächst galt es, einen geeigneten Wisentstier zu finden, der in Bezug auf Alter und Genetik optimal zur Berner Herde passt. Eine umfassende genetische Analyse der europäischen Wisentpopulationen in menschlicher Obhut ergab, dass ein seltenes Gen auf dem Y-Chromosom vermehrt werden sollte. Basierend auf diesen Ergebnissen wies der Zuchtbuchführer des Wisent-EEP (EAZA Ex-situ Programme) dem Tierpark Bern einen Zuchtbullen aus dem Borås Djurpark in Schweden zu, der dieses wertvolle Gen trägt.

Administrative Vorbereitungen

Nachdem das Tier bestimmt war, begann die umfangreiche administrative Planung des Transports. Obwohl der Wisent nicht unter die CITES-Vorgaben (Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten) fällt, war dennoch eine Importgenehmigung für die Schweiz erforderlich. Auf Exportgenehmigungen aus Schweden konnte verzichtet werden. Zusätzlich mussten die veterinärmedizinischen Anforderungen von Bund, Kanton und dem Tierpark Bern erfüllt werden. Diese umfassten eine Reihe von Untersuchungen und Impfungen, die teilweise Monate vor dem Transport durchgeführt werden mussten, um die Einschleppung von Tierseuchen auszuschliessen.

Organisation des Transports

Für den eigentlichen Transport wurde ein spezialisiertes Unternehmen engagiert, das Erfahrung mit Tiertransporten dieser Art hat und logistisch wie finanziell geeignet war. Der Wisentstier wurde in einem verstärkten Pferdeanhänger, offen und nicht in einer Transportkiste, innerhalb von 28 Stunden von Schweden über Dänemark und Deutschland in die Schweiz gebracht. Da alle Transitländer zur EU gehören, war lediglich eine Zollabfertigung an der Schweizer Grenze notwendig.

Ankunft im Tierpark Bern

Nach einer abschliessenden Artenschutzkontrolle in Basel, bei der überprüft wurde, ob das transportierte Tier den Angaben in den Dokumenten entspricht, erreichte der Wisentstier wohlbehalten den Tierpark Bern. Die sorgfältige Planung und die intensive Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Institutionen machten diesen wichtigen Schritt für das Erhaltungszuchtprogramm der Wisente möglich. Der neue Zuchtbulle wird einen bedeutenden Beitrag zur genetischen Vielfalt der Herde und damit zum Schutz der Art leisten.

Was ist ein Erhaltungszuchtprogramm (EEP)?

Der Europäische Verband der Zoos und Aquarien (EAZA) koordiniert sogenannte Erhaltungszuchtprogramme – offiziell als EAZA Ex situ Programmes (EEP) bezeichnet. Ziel dieser Programme ist es, gesunde und sich selbst erhaltende Zoopopulationen aufzubauen. Eine Population gilt als gesund, wenn sie über eine hohe genetische Variabilität verfügt. Um dies zu gewährleisten, ist eine gezielte und kontrollierte Zucht von Wildtieren notwendig.

Spezialisierte Expertinnen und Experten, sogenannte Zuchtbuchführende, entwickeln für bedrohte Tierarten detaillierte Empfehlungen für Zucht und Transport. Diese Empfehlungen werden von den Mitgliedszoos der EAZA umgesetzt. Um Inzucht innerhalb der Zoopopulationen zu vermeiden, müssen Tiere regelmässig zwischen verschiedenen Zoos ausgetauscht und transportiert werden.

Derzeit werden rund 400 Tierarten im Rahmen der EEPs koordiniert. Auch der Tierpark Bern ist Mitglied der EAZA und engagiert sich aktiv in verschiedenen Erhaltungszuchtprogrammen zum Schutz bedrohter Tierarten.