Foto: Emmanuel Keller
17. August 2016

Neues Zuhause für Persische Leoparden im Tierpark Dählhölzli

Mit der Eröffnung der neuen Leopardenanlage im Tierpark Dählhölzli setzt die Stadt Bern neue Massstäbe in der artgerechten Wildtierhaltung. Die innovative Anlage kombiniert moderne Architektur mit naturnaher Gestaltung und bietet den Persischen Leoparden deutlich mehr Raum sowie optimale Lebensbedingungen. Das im Rahmen eines Wettbewerbs ermittelte Siegerprojekt ist eine einzigartige Zeltkonstruktion, die von naturgewachsenen Bäumen getragen wird.

Foto: Graber + Pulver Architekten, Stadt Bern

Vorgeschichte

Seit gut einem Jahrzehnt gehört die Haltung von Leoparden zum Betrieb des Berner Tierparks Dählhölzli. Die alte, in den 1980er Jahren gebaute Anlage der Persischen Leoparden war in die Jahre gekommen, ihre Fläche zu klein und ihre Deckenhöhe zu niedrig. Aus Sicherheitsgründen mussten die Tiere nachts in die Innenstallungen gebracht werden, was ihnen täglich nur 8–10 Stunden Aufenthalt im Freien garantierte. Um an der internationalen Arterhaltung mitarbeiten zu können, musste das bestehende Gehege vergrössert, unterteilt und tiergärtnerisch aufgewertet werden.

Ausgangslage/Projektverlauf

Für die Persischen Leoparden im Dählhölzli sollte die grösste Anlage in der Schweiz entstehen, getreu dem Motto des Tierparks: „Mehr Platz für weniger Tiere.“ Im Jahr 2004 haben sowohl Mitarbeitende des Tierparks wie auch die Projektverantwortlichen von Stadtbauten Bern einen Anforderungskatalog für die artgerechte Haltung der Wildkatzen erarbeitet. Noch im gleichen Jahr wurde ein Wettbewerb auf Einladung durchgeführt, den das Team, bestehend aus den Ingenieuren Weber + Brönnimann, Bern und den Architekten Graber, Pulver, Bern gewannen.

Projektziele

– Zwei unabhängige, voneinander getrennte Gehege für eine artgerechte Haltung des Leoparden und eine angemessene Vermittlung seines Lebensraums
– Landschaftliche Einbindung in den Bereich Halbwüste
– Gestaltung mittels künstlichen Felsen bis zu einer Höhe von vier Metern, Grundfläche 600–700 m²
– Gehege 24 Stunden zugänglich
– Berücksichtigung der Sicherheit von Mensch und Tier
– Einblicksmöglichkeiten für Besuchende aus verschiedenen Perspektiven

Projektrealisierung aus Sicht der beauftragten Architekten und Ingenieure

Das Projekt wird im Wesentlichen von vier Elementen gebildet:
– der trockenen, felsigen Landschaft,
– einem dehnbaren, transparenten und netzartigen Metallgewebe,
– einem linearen Element aus Beton,
– fünf Eichen, welche direkt vor Ort verankert wurden und das Metallgeflecht aufspannen.

Die Struktur des Geheges ist Teil der neu gebildeten Landschaft. Ein das Gehege umfassendes saumartiges Band aus Beton wird im Hintergrund zur Rückwand der künstlichen Landschaft, im Vordergrund zum Dach des verglasten Schaufensters und verankert das textilartige Netz aus Chromstahl am Boden. Das Geflecht wird durch fünf, aus dem benachbarten Burgerwald stammende Eichen getragen und fixiert seinerseits diese Bäume in ihrer Lage. Die Bäume selber sind Teil der Steppenlandschaft des Leoparden und spannen das Gewebe auf, wodurch ein lichter und grosszügiger Innenraum entsteht. Die Hülle des Projektes versteht sich als eine Art Schleier, dessen Gestalt massgebend von den Elementen dieser Landschaft bestimmt wird. Das lichte Netz wird aber selber auch zu einem Landschaftselement in der Tierparkanlage.

Die zur Verfügung stehende Fläche von 700 m² konnte gegenüber dem ehemaligen Gehege auf das Fünffache erweitert werden, das Volumen sogar verzehnfacht.

Foto: Weber + Brönnimann, Bern

Verborgene Einblicke

An der Rückseite des Geheges, in Richtung und Sichtweite des Freibads Ka-We-De, befindet sich eine bis sieben Meter hohe Mauer. Die Tiere können sich auf einem schmalen Grat über diesen Bereich bewegen und durch eine fensterartige Öffnung ins benachbarte Freibad schauen. An der vorderen Seite, an der das Gitter die Gehege in zwei Bereiche trennt, befindet sich der überdachte Zuschauerbereich, der den Blick ins Gehege durch eine Panzerverglasung öffnet.

Das aufgespannte Stahlgewebe vibriert zwischen der schon aus der Ferne wahrnehmbaren Figur der Anlage und dem Netz von Punkten und Fäden, das verschwindet, wenn das Auge beginnt, sich auf die Tiere zu fokussieren. Im Gegensatz zu einem Käfig vermittelt das Netz ein Bild der Spannung und Elastizität, ohne jene Starrheit und Endgültigkeit der Grenzziehung. Um die Tiere bei ihrer Futtersuche zu aktivieren, wurden im Leopardengehege Taubenkäfige montiert.

Für Besucherinnen und Besucher stehen grosszügige Wege zum Flanieren mit guten Einblicken ins Gehege zur Verfügung. Das Konzept trägt auch bei grosser Anzahl von Besuchenden dem Bedürfnis Rechnung, einen Leoparden sehen zu können, ohne aber die Tiere zu beeinträchtigen. Zum Verweilen und ruhigen Beobachten gibt es geschützte Sitzplätze.

Das Netz, die Bäume, der Fels

Das Netz ist ein Geflecht aus Edelstahlseilen (ø 2 mm) mit einer Maschenweite von 60 mm und einem Winkel von 60°/30°. Durch diese Masse entstehen drachenförmige Vierecke, die mit Presshülsen zu einer belastbaren und flexiblen Struktur verbunden werden. Das Netz verhält sich in der Ebene nicht in beide Richtungen gleich, sondern anisotrop, d.h. die Eigenschaften, speziell die Dehnbarkeit, sind je Richtung unterschiedlich. Da es sich um eine sehr komplexe Form handelt, die durch das Aufbringen einer internen Vorspannung zusätzlich beeinflusst wird, konnte bei der statischen Berechnung die Geometrie nicht im Voraus festgelegt werden. In einem iterativen Prozess wurde nebst der Vorspannung des Netzes auch die dreidimensionale Geometrie Schritt für Schritt ermittelt. Schnee gilt als der massgebende Lastfall, weil sich das Netz bei starken Schneefällen verschliessen kann.

Um die Leoparden in einer möglichst naturnahen Umgebung präsentieren zu können, wurden die vertikalen Teile des Geheges mit einem Kunstfelsen überdeckt. Die Textur des Felsen wurde anhand einer Fotografie aus dem natürlichen Lebensraum des Leoparden vorgegeben und in einem Arbeitsmodell im Massstab 1:50 präzise ausgearbeitet. Eine spezialisierte Firma hat vor Ort ein Geflecht aus Metall- und Kunststoffgittern geformt und diese in den gemauerten resp. betonierten Wänden verankert. Auf dieser Grundlage wurde eingefärbter Spritzbeton in kleinen Mengen aufgetragen und vor dem Aushärten von Hand mit Spachtel und Traufe nachmodelliert. Dadurch konnten Spalten und kleine Klüfte eingearbeitet werden; lokal wurden auch Steine, Brutnischen für Singvögel und sogar ein kleiner Wasserfall eingearbeitet. Zum Schluss wurde der Fels mit mineralischen Farben dezent bemalt.

Foto: Weber + Brönnimann, Bern