Die Seehunde im Tierpark Bern – Eine neue Anlage wird gebaut
Die Seehunde des Tierparks Bern haben ihr vorübergehendes Zuhause in Schweden gefunden, während ihre Anlage umfassend modernisiert wird. Nach 20 Jahren Betriebszeit weist die bisherige Anlage erhebliche Altersspuren auf und erfüllt nicht mehr die aktuellen tierhalterischen Standards. Um den Meeressäugern eine artgerechtere Umgebung zu bieten, wird sie nun zu einer modernen Unterwasserwelt umgestaltet.

Geplante Neuerungen
Die neue Seehundeanlage wird den natürlichen Lebensraum der Tiere noch besser nachbilden. Der Fokus liegt auf einer dynamischen Unterwasserwelt mit Felsstrukturen, Höhlen und Strömungen, die die Seehunde dazu anregen, mehr Zeit unter Wasser zu verbringen. Dies trägt zur Gesundheit ihrer Augen bei, da dadurch die Belastung durch UV-Strahlen reduziert wird.
Neben der Wasserwelt werden auch die Aussenbereiche optimiert. Verschiedene Untergründe wie Sand, Kies und Felsen bieten den Seehunden mehr Abwechslung und Komfort an Land. Zudem wird ein spezieller Meerwasserpool mit 6.000 Litern Inhalt eingerichtet, um das regelmässige Spülen ihrer Augen und Haut mit Salzwasser zu ermöglichen.
Beschattung für mehr Schutz
Ein weiteres zentrales Element der neuen Anlage ist die Installation eines grossflächigen Schattendachs. Die erhöhte UV-Belastung in der bisherigen Anlage hat zu Augenproblemen bei den Seehunden geführt. Das neue Dach wird sowohl die Tiere als auch die Besucher vor intensiver Sonneneinstrahlung schützen. Mehr dazu

Finanzierung und Umsetzung
Der Tierparkverein Bern hat bereits zwei Millionen Franken für den Ausbau der Unterwasserwelt zugesichert. Weitere 900.000 Franken stehen im Gabus-Fonds bereit, um die Kosten für die Beschattung zu decken. Insgesamt beläuft sich das Projektvolumen auf 2,9 Millionen Franken.
Die Bauarbeiten haben m August 2024 begonnen und werden voraussichtlich zwölf Monate dauern. Während dieser Zeit bleiben die Seehunde in Schweden, wo sie optimal versorgt werden.
Ein Blick in die Zukunft
Die neue Seehundeanlage wird nicht nur den Tieren eine verbesserte Lebensqualität bieten, sondern auch den Besuchern eine faszinierende Möglichkeit geben, das Verhalten der Seehunde unter Wasser besser zu beobachten. Der Tierpark Bern setzt damit neue Massstäbe in der artgerechten Haltung von Meeressäugern und schafft ein nachhaltiges Erlebnis für Tierfreunde.

Europäischer Seehund (Phoca vitulina vitulina)
Der Europäische Seehund ist eine Unterart des Gewöhnlichen Seehunds (Phoca vitulina) und in den kühleren Gewässern Europas verbreitet. Er ist bekannt für seine grossen, dunklen Augen, seine kurze Schnauze und sein charakteristisches, geflecktes Fell, das eine hervorragende Tarnung im Wasser bietet. Seine hohe, gewölbte Stirn und grosse Kulleraugen machen ihn zu einem Paradebeispiel für das Lorenz’sche Kindchenschema. Dadurch ist er ein Sympathieträger und ein idealer Botschafter für den Meeresschutz. Zudem ist er die häufigste gezeigte Hundsrobbe in Zoos.

Lebensraum
Der Europäische Seehund lebt hauptsächlich in küstennahen Gewässern, insbesondere in der Nordsee, der Ostsee und dem Atlantik. Er bevorzugt sandige oder felsige Küsten und ruhige Buchten als Ruheplätze. Beim Europäischen Seehund bezeichnet man die männlichen Tiere als Rüden und die weiblichen als Fähen.
Aussehen und Merkmale
- Grösse: Rüden 130-186 cm, Fähen 120-170 cm
- Gewicht: Rüden 60-150 kg, Fähen 45-120 kg
- Fellfarbe: Grau bis braun mit dunklen Flecken
- Lebenserwartung: Etwa 20 bis 30 Jahre
- Jungtiere bei Geburt: 75-100 cm, 8-12 kg
- Schnurrhaare auf der Oberlippe helfen bei der Beuteortung
- Beine sind zu Flossen umgewandelt, Kurzfristige Geschwindigkeit bis zu 35 km/h
- An Land bewegen sich Seehunde eher unbeholfen, indem sie ihren Körper wellenförmig vorwärts schieben
Ernährung
Der Seehund ist ein geschickter Jäger und ernährt sich hauptsächlich von Fischen wie Hering, Dorsch, Scholle, Sandgrundeln und Plattfischen. Gelegentlich frisst er auch Krebstiere und Weichtiere.
Fortpflanzung
Die Paarungszeit liegt zwischen Juni und August. Nach einer Tragzeit von etwa 11 Monaten kann die Geburt hinausgezögert werden, bis Ebbe eingetreten ist. Das Weibchen bringt ein einzelnes Jungtier zur Welt. Dieses wird ungefähr vier Wochen gesäugt und lernt in dieser Zeit, selbständig zu schwimmen und zu jagen. Die Muttermilch hat einen Fettgehalt von bis zu 55 %, wodurch die Jungtiere schnell an Gewicht zulegen.
Besonderheiten
- Sehr gutes Gehör und empfindliche Schnurrhaare (Vibrissen) zur Beuteortung.
- Sie können bis zu 30 Minuten unter Wasser bleiben.
- Ihre Barthaare (Vibrissen) sind extrem empfindlich und können kleinste Wasserbewegungen wahrnehmen
- Ihre Augen reflektieren Licht ähnlich wie Katzenaugen, was ihnen gute Nachtsicht im Wasser ermöglicht.
- Sie können überschüssiges Salz über spezielle Drüsen in den Augen ausscheiden.
- Sie besitzen Tränendrüsen, die Salzwasser ausscheiden können, um ihre Augen feucht zu halten.
- Jeder Seehund hat ein einzigartiges Fleckenmuster, ähnlich wie ein Fingerabdruck beim Menschen.
- Sie haben keine äusseren Ohrmuscheln, können aber ihre Gehörgänge beim Tauchen verschliessen.
- Ihr Muskelgewebe enthält hohe Mengen an Myoglobin, was Sauerstoff effizient speichert und lange Tauchgänge ermöglicht.
- Sie können sich nahezu geräuschlos durch das Wasser bewegen, um Beute nicht zu warnen.
- Die Milch der Seehund-Mütter enthält über 50 % Fett, damit die Jungtiere schnell wachsen.
- Nach der Paarung verzögert sich die Einnistung des Embryos um mehrere Monate, damit die Geburt in die beste Jahreszeit fällt.
- Seehundmütter erkennen ihre Jungtiere am Geruch, auch wenn viele Junge dicht beieinanderliegen.
- Seehunde können verschiedene Laute von Bellen bis Grunzen erzeugen, besonders Jungtiere kommunizieren mit ihren Müttern.
- Sie können im Wasser treiben und dabei eine Gehirnhälfte im „Schlafmodus“ halten.
- Neben Haien und Orcas können auch Seeadler Jungtiere erbeuten, vor allem in nördlichen Regionen.
Bedrohung und Schutz
Die grösste Bedrohung für den Europäischen Seehund ist die Verschmutzung der Meere, vor allem durch Plastikmüll und Umweltgifte. Auch Störungen durch den Menschen, wie Bootstourismus und Fischerei, setzen den Populationen zu. Seehunde stehen unter Schutz, und es gibt verschiedene Programme zur Erhaltung ihres Lebensraums und zur Rettung verletzter oder verwaister Jungtiere. Der Seehund ist global nicht gefährdet (Rote Liste: Least Concern). Bestände im Wattenmeer haben sich erholt, unterliegen jedoch natürlichen Schwankungen.